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"Macht verdirbt" oder wie das Volk ausgetrickst werden soll

Euro 08: ,Keine Salamitaktik’,Bund' vom 15. September

«Das Schönste am Regieren ist die Willkür.» Dieses Motto wurde in Zeiten, bevor der tapfere Revisor Rudolf Hafner die Berner Finanzaffäre platzen liess, jeweils von den Regierenden unter Kollegen augenzwinkernd weitergereicht. Im sehr aufschlussreichen Interview lässt Regierungsrat Käser diese Zeiten wiederauferstehen. Das Volk wird nach Strich und Noten ausgetrickst:

- Die Kredite für die Euro 08 werden so aufgeteilt, dass die Referendumsgrenze just nicht erreicht wird. Dies entgegen dem klaren Auftrag des Grossen Rates (Motion Meyer, Roggwil), einen naturgemäss referendumspflichtigen Gesamtkredit vorzulegen.

- Die Salamitaktik wird damit gerechtfertigt, dass der Regierungsrat überzeugt sei, «dass die grosse Mehrheit der Bevölkerung hinter der Euro steht». Abgesehen davon, dass eine solche Behauptung juristisch belanglos ist, sei darauf hingewiesen, dass «die grosse Mehrheit» anlässlich der Euro-08-Abstimmung in Bern gerade mal aus 52 Prozent bestand . . .

- Obwohl die Euro-08-Kredite längst ausgegeben oder fest zugesichert sind, hat die Regierung die formellen Beschlüsse bis nach dem Entscheid des Bundesgerichts über die aufschiebende Wirkung meiner Beschwerde zurückgehalten. So mussten die Lausanner Richter die aufschiebende Wirkung mangels rechtskräftiger Beschlüsse abweisen. Dies schmälert allerdings die Chancen der Beschwerde, wenn es um den Hauptentscheid gehen wird, nicht.

- Ein bedeutender Teil des Gesamtprojektes soll über separate Fonds finanziert werden. So wird auf eine unrühmliche Praxis des Kantons zurückgegriffen, Ausgaben der normalen Finanzkompetenzordnung zu entziehen und über ein «Kässeli» zu finanzieren. Diese Praxis war seinerzeit auch Teil der Finanzaffäre und wurde von der «Besonderen Untersuchungskommission BUK» scharf gerügt.

Vor 20 Jahren war ich beauftragt, als Mitglied der erwähnten grossrätlichen BUK mitzuhelfen, die Finanzaffäre abzuklären. Über die Parteigrenzen hinweg waren wir überzeugt, dass künftig die Rechte von Volk und Parlament nicht mehr in krasser Weise missachtet werden könnten. Doch Macht verdirbt offenbar unabhängig von der politischen Herkunft der regierenden Personen.

Auch dieses Beispiel zeigt, wie wichtig eine Kontrolle der Regierenden durch kritische regierungsungebundene Kräfte ist.
Luzius Theiler
Leserbrief im 'Bund' vom 24. September 2007